«Wääk, das ess ich nicht!»

little cute thoughtful girl sitting near a plate with fruit on a kitchen table, concept of a healthy baby food
Wie Gross­eltern ihre Enkel zum Gemüse- und Früch­teessen ver­führen – und weshalb viele Kleinen den ge­sunden Food partout nicht leiden können: Andrea Cramer er­klärt, weshalb Kinder oft auch Kost­ver­ächter sind. 

Wer seine Enkel hütet, kennt das ku­li­na­rische De­saster. Da kann sich Oma und Opa am Kochherd noch so ab­mühen, die Kleinen rümpfen ver­ächtlich die Nasen und schieben das Ge­kochte auf dem Teller mög­lichst weit weg.

Woher rühren solche Wie­der­stände – und vor allem, wie lassen sich diese über­winden? Klare Ess­regeln am Ess­tisch sind zwar ratsam, eine Lösung sind sie nur be­dingt. Werden bei­spiels­weise die Kleinen dazu ver­pflichtet, Speisen erst zu pro­bieren, bevor man ihnen si­cherere Werte – Spa­ghetti, Ra­violi oder puren Reis – vor­setzt, ris­kiert man mit­unter den Schlachtruf: «Igitt, das ist soo gruusig, das hätte ich nicht mal ver­suchen sollen.»

Frau Cramer, Sie sind Spe­zia­listin für Säug­lings- Kinder- und Fa­mi­li­en­er­nährung. Wieso mögen viele Kinder Gemüse nicht, bei­spiels­weise To­maten?
Viele Kinder finden un­ter­schied­liche und ge­mischte Kon­si­stenzen ei­gen­artig. Diese sind bei der Tomate be­sonders aus­ge­prägt: zähe Schale, kör­niges Frucht­fleisch, gal­lert­artige Füllung, feste Kerne. Darüber hinaus nehmen emp­find­liche Kin­der­zungen Bit­ter­stoffe und andere Ge­schmacks­rich­tungen im Gemüse stärker wahr als Er­wachsene. Da ge­kochtes Gemüse in­ten­siver riecht und schmeckt, rate ich: Ser­vieren Sie die Vit­amin­spender den Kleinen vor allem roh.

Sind die Vor­be­halte an­trai­niert – oder an­ge­boren?
Die Neo­phobie – sie war in frü­heren Zeiten über­le­bens­wichtig – hindert Kinder daran, neue Dinge zu pro­bieren, denn diese könnten ja giftig sein. Ty­pi­scher­weise tritt die Angst vor Neuem erst nach der Still- und der Bei­ko­st­phase auf – wenn sich das Kind mehr und mehr von der Mutter ent­fernt und ex­terne Nah­rungs­quellen aus­pro­biert. Und: In vielen Gemüse- und Frucht­sorten stecken tat­sächlich Gift­stoffe: zum Bei­spiel Blau­säure-Ver­bin­dungen in den Kernen des Stein­obsts, Phasin in rohen Bohnen, Oxal­säure in Rha­barber oder So­lanin in Nacht­schat­ten­ge­wächsen wie der Kar­toffel, Au­bergine, etc.

Weshalb steht der Zucker nicht auf der kind­lichen Pfui-Liste?
Die Vor­liebe für Süsses (ist in der Natur selten giftig, sondern reif und ka­lo­rien­reich) ist an­ge­boren – alle an­deren Ge­schmacks­rich­tungen müssen wir im Laufe des Lebens er­werben. Das pas­siert vor allem in den Kinderjahren.

Wie kann man die Kinder an Gemüse ge­wöhnen?
Indem wir ihnen Vorbild sind. Klein­kinder ahmen Eltern, Gross­eltern, Er­zieher, Ge­schwister gerne nach. Sie lernen, indem sie uns imi­tieren. Und: Indem man sie ihnen immer wieder vorsetzt.

Trotz In­ter­ven­tionen?
Genau. Da­durch sollten wir uns nicht be­irren lassen. Wir sollten Kindern trotzdem Gemüse und Früchte re­gel­mässig und breit an­bieten, in den Haupt- oder Zwi­schen­mahl­zeiten Gemüse und/oder Früchte. Durch die Vielfalt ent­wickeln die Kinder ihren Ge­schmacksinn, ihre Vor­lieben und Ab­nei­gungen. Da­durch lernen sie auch, was aus­ge­wogene Er­nährung aus­macht. Wird etwas von der Spei­se­liste ge­strichen, können sich Kinder auch nicht daran gewöhnen.

Hilft Zwang?
Nein. Man soll Kinder ohne Druck dazu ani­mieren, dass sie Speisen aus­pro­bieren. Es sind 12 bis 15 Ver­suche nötig, bis sie sich an einen Ge­schmack ge­wöhnen. Dafür können sich Eltern und Opas ge­trost bis zum Teenie-Alter der Kinder Zeit lassen. Wichtig: Das Ab­lecken der Nah­rungs­mittel genügt be­reits, run­ter­schlucken ist nicht nötig! Wie wir aber alle wissen, bleiben ge­wisse Aver­sionen und be­gleiten uns bis ins hohe Alter.

Kann man Kinder über­listen?
Teil­weise schon, bei­spiels­weise indem man ihnen die Gemüse in ver­schie­denen Formen vor­setzt oder diese in an­deren Speisen un­ter­mischt. Ge­mü­se­pü­rée­suppen, Kar­toffel-Sel­lerie-Stock, Ka­rotten in der Bo­lo­gnese, Ge­mü­se­sauce, Gemüse-Strudel, Ge­mü­sesaft, Salat, Gemüse im Teig – die Phan­tasie macht Appetit.

Ihr letzter Tip?
Be­ziehen Sie Kinder ins Kochen ein oder pflanzen Sie mit ihnen Gemüse an. Denn was diese selbst zu­be­reiten und ziehen, essen sie auch eher. Aus­serdem landet schon beim Kochen/Pflücken das eine oder andere Stück im Mund.

Dieses In­terview ist in der «Zeitlupe» er­schienen. Es wurde von Roland Grüter geführt.

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