In der Schweiz ist jedes sechste Kind übergewichtig, also etwa 17 Prozent. Wann spricht man von Übergewicht bei Kindern?
Dr. Melanie Baumgardt: Die Zahl der übergewichtigen und adipösen Kinder und Jugendlichen hat in den letzten 10 Jahren schweizweit leicht abgenommen, so die Zahlen von Gesundheitsförderung Schweiz im September 2017. Als Übergewicht definiert man einen BMI, der höher als die 90. Perzentile ist, von Adipositas spricht man bei einem BMI über der 97. Perzentile.
Gibt es einen Stadt-Land-Unterschied?
Tatsächlich existiert ein kleiner Unterschied zwischen Land und Stadt, zuungunsten der städtischen Bevölkerung. Wichtiger als der Wohnort ist jedoch der soziale Status der Eltern und die Herkunft. Kinder aus Migrantenfamilien und/oder Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status leiden häufiger an Übergewicht oder Adipositas. Diese Familien leben eher in den städtischen Gebieten und erklärt den Stadt-Land-Unterschied.
Oft hört man, dass sich die Kilos zu viel, die ein Kind hat, wieder verwachsen. Ist dies möglich?
Bereits in der frühen Kindheit werden die Grundsteine für Übergewicht und Adipositas gelegt. Wichtige Aspekte sind neben der Frage, was und wie häufig die Mahlzeiten angeboten werden: In welchem Setting wird gegessen und erkennen und akzeptieren die Eltern bereits im Säuglingsalter die Sättigungszeichen des Kindes.
Ist ein Kind erst mal übergewichtig oder adipös, werden sich ohne Änderung des Lebensstils die Kilos nicht einfach verwachsen. Um das Übergewicht abzubauen, hat ein Kind im Wachstum – im Vergleich zu einer ausgewachsenen Person – jedoch den Vorteil, dass bereits das konstante Halten des Gewichtes zu einer Senkung des BMIs führt und damit das Übergewichte reduziert wird. Ein klassisches Abnehmen, also der Verlust von Kilos, ist somit oft nicht nötig.
Wie unterscheidet man Babyspeck von Übergewicht?
Säuglinge haben einen hohen Körperfettanteil – bis zu maximal 25 Prozent im Alter von 9 Monaten. Dieser wird umgangssprachlich als Babyspeck bezeichnet und dient dem schnell wachsenden Gehirn als Energielieferant. Babyspeck verwächst sich bis etwa zum dritten Lebensjahr.
Wie gross ist das Ausmass der Folgeerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen von Adipositas?
Bereits bei Kindern und Jugendlichen können, je nach Ausmass des Übergewichtes, Begleiterkrankungen auftreten. Die häufigste Begleiterkrankung ist der Bluthochdruck, an dem im Verlauf etwa ein Drittel der adipösen Kinder und Jugendlichen leiden. Ebenso zeigen rund ein Viertel der Betroffenen Fettstoffwechselstörungen wie Hypercholesterinämie (erhöhter Cholesterinspiegel). Diabetes mellitus Typ 2 ist im Kindes- und Jugendalter deutlich seltener. Häufig vergessen gehen das PCO Syndrom bei jugendlichen Mädchen – welches zu einer Beeinträchtigung des Zyklus führt – so wie auch Depressionen.
Zur Person
Dr. Melanie Baumgardt ist Pädiaterin sowie Praxisinhaberin von «FLORA», der Praxis für Kinder und Jugendliche in Leutschenbach. Sie und ihr Team behandeln in dieser das ganze Spektrum der allgemeinen Kinderheilkunde.
2 Kommentare zu „Übergewicht bei Kindern: Wenn der Babyspeck bleibt“
Interessanter Beitrag zum Übergewicht bei Kindern. Unglaublich, dass schon 17 Prozent der Schweizer Kinder an dieser Krankheit leiden. Ich denke, auf dieses Problem sollte die Gesellschaft im Allgemeinen acht geben, da sonst irgendwann die Folgeerkrankungen aufgefangen werden müssen.
Ich möchte mich mehr mit der Kinderheilkunde auseinandersetzen. Besonders wegen Übergewicht bei Kindern. Gut zu wissen, dass sich Babyspeck bis zum dritten Lebensjahr verwächst.