Zucker­al­ter­na­tiven: Süsse Versuchung

Pro Kopf essen wir täglich 110 Gramm Zucker – mehr als doppelt so viel, als uns guttut. Im Handel wächst die Zahl alternativer Süssstoffe. Doch was unterscheidet diese vom heiss diskutierten Krankmacher und worauf sollte man beim Konsum achten?
Pro Kopf essen wir täglich 110 Gramm Zucker – mehr als doppelt so viel, als uns guttut. Im Handel wächst die Zahl al­ter­na­tiver Süss­stoffe. Doch was un­ter­scheidet diese vom heiss dis­ku­tierten Krank­macher und worauf sollte man beim Konsum achten? Andrea Cramer im In­terview mit der Zeitlupe. 

Stevia, Bir­ken­zucker, Agaven­dicksaft: Sind die al­ter­na­tiven Süss­stoffe, wie sie im Handel zuhauf zu finden sind, wirklich ge­sünder – und weshalb?
Auf dem Markt gibt es mitt­ler­weile tat­sächlich eine riesige Vielfalt an an­deren Süs­sungs­mög­lich­keiten – mit teil­weise kom­plett un­ter­schied­lichen Ei­gen­schaften. Ge­meinhin lässt sich sagen: Auch viele al­ter­native Süss­stoffe bringen Nach­teile mit sich. Deshalb lässt sich nicht einfach sagen: Raf­fi­nierter Zucker ist böse, die Al­ter­na­tiven aber sind gut.

Was un­ter­scheidet nor­malen Zucker von den ver­schie­denen Va­ri­anten?
Haus­halts­zucker be­steht aus Frucht­zucker und Trau­ben­zucker – er ver­sorgt den Körper mit einer ge­ballten Power. Ein über­mäs­siger Konsum führt deshalb zu Über­ge­wicht und be­gün­stigt viele Krank­heiten: unter an­derem Dia­betes, Blut­fett­stö­rungen, Blut­hoch­druck und andere Herz­kreislauf-Schwächen. Honig, Me­lasse, Ko­kos­blü­ten­zucker, Frucht­säfte, ‑dick­säfte und ‑kon­zen­trate ähneln raf­fi­niertem Zucker zwar im Aufbau, werden vom Körper aber anders ab­gebaut – was diesen anders belastet.

Viele Pro­dukte sind mit Frucht­zucker ge­süsst: zu un­serem Vorteil?
Nein, auch Frucht­zucker (Fruktose) be­schert uns keine un­be­schwerte Süsse. Er wird vom Körper nicht ins Blut auf­ge­nommen und steht uns somit nicht als En­er­gie­lie­ferant zur Ver­fügung. Will heissen: Frucht­zucker wird über die Leber direkt in Fett um­ge­wandelt. Grössere Mengen an Fruktose be­ein­flussen auch unsere Blut­fett­werte ne­gativ, was Fett­stoff­wech­sel­stö­rungen, Herz-Kreislauf- und andere Er­kran­kungen be­gün­stigt. Deshalb sind bei­spiels­weise Frucht­säfte als Al­ter­native für normal ge­zuckerte Süss­ge­tränke nicht zu emp­fehlen. Was hin­gegen emp­feh­lenswert und gesund ist: täglich zwei Por­tionen frische Früchte zu je­weils 120 Gramm essen. Früchte ver­sorgen uns mit wich­tigen Vit­aminen, Mi­ne­ral­stoffen sowie Nah­rungs­fasern und ent­halten nur einen ge­ringen Anteil an Fruktose.

Was zeichnet che­misch her­ge­stellte Süss­mittel aus?
Ge­meinhin un­ter­scheidet man zwei Gruppen. Die künst­lichen Süss­stoffe (etwa Cy­clamat, Aspartam, Sac­charin, Steviol­gyl­coside) und Zucker­aus­tausch­stoffe, so­ge­nannte Zucker­al­kohole (etwa Xylit, Sorbit oder Ery­thrit). Künst­liche Süss­stoffe werden syn­the­tisch her­ge­stellt und ent­halten keine Ka­lorien oder Koh­len­hy­drate. Anders die Zucker­aus­tausch­stoffe: Diese werden aus Koh­len­hy­draten – oft Mais, Rinde oder an­deren pflanz­lichen Roh­stoffen, die in der Land­wirt­schaft an­fallen – her­ge­stellt. Dazu zählt auch Bir­ken­zucker (Xylit), der zwar in Früchten und Gemüse vor­kommt, für die Nutzung als Süs­sungs­mittel jedoch eben­falls in­du­striell her­ge­stellt wird: oft nicht aus Bir­ken­rinde, sondern aus Mais. Für beide Gruppen gelten fol­gende Emp­feh­lungen: Täglich sollten wir ma­ximal einen halben Liter künstlich ge­süsster Ge­tränke konsumieren.

Wie sieht es mit Stevia aus?
Pflanz­liche Süs­sungs­mittel können wir emp­fehlen. Dazu zählt auch Süssholz. Sie ent­halten keine nen­nens­werten Mengen an Zucker und süssen unaufdringlich.

Zucker sagt man nach, dass er süchtig macht: Be­wirken die Al­ter­na­tiven eben­falls Heiss­hunger und Hunger­ at­tacken?
Eine zucker­reiche Er­nährung be­wirkt tat­sächlich eine hor­mo­nelle Re­aktion des Körpers auf den er­höhten Blut­zucker­spiegel – was ein neu­er­liches Be­dürfnis nach Zucker, Heiss­hunger und Ess­at­tacken aus­lösen kann. Dies pas­siert vor allem dann, wenn Zucker in grossen Mengen iso­liert auf­ge­nommen wird (etwa Kuchen als Zwi­schen­mahlzeit und nicht als Dessert nach einer kom­pletten Mahlzeit). Oder wenn Zucker in Süss­ge­tränken, also in Frucht­säften oder Energy Drinks, ent­halten ist und vom Magen-Darm-Trakt sehr schnell auf­ge­nommen wird. Dass Zucker jedoch süchtig macht, ist eher eine Me­tapher: Damit ist ge­meint, dass man sich an den süssen Ge­schmack ge­wöhnt und diesen in der Folge auf­recht­erhalten will – ähnlich wie beim Salz.

Fördern alle Süs­sungs­mittel, auch al­ter­native, diese Ge­wöhnung?
Jawohl, je nach Zu­sam­men­setzung sti­mu­lieren sie den Körper aber un­ter­schiedlich: Glukose- und stär­ke­haltige Süs­sungs­mittel be­wirken ähn­liche hor­mo­nelle Re­ak­tionen wie Haus­halts­zucker – Zucker­aus­tausch­stoffe machen das in weit klei­nerem Masse. Fruktose be­ein­flusst den Fett­stoff­wechsel – künst­liche Süss­stoffe haben kei­nerlei Ein­fluss darauf. Im Ge­genzug mut- massen manche, dass sie den Hor­mon­haushalt be­lasten. Was nicht be­wiesen ist und gerade reihum er­forscht wird.

Wir werden ge­meinhin an­ge­mahnt, we­niger süss zu essen. Er­übrigt sich dieser Rat dank der al­ter­na­tiven Süss­stoffe?
Nein. Auch al­ter­nativ ge­süsste Le­bens­mittel er­halten und fördern unsere ge­ne­tisch be­dingte Vor­liebe für süsse Speisen. Auch wenn wir um­lenken: Idea­ler­weise re­du­zieren wir schritt­weise un­seren Zucker- und Süss­mit­tel­konsum und ge­wöhnen uns wieder an neu­tralere Ge­schmäcker. Danach reicht die na­tür­liche Süsse einer Frucht, um uns glücklich zu machen.

In 80 Prozent der Le­bens­mittel ist Zucker ent­halten: Woran er­kennt man diesen?
Eines vorweg: Stärke – also ein höchst kom­plexer Mehr­fach­zucker – ist für den mensch­lichen Körper un­er­setzlich und somit zu un­serem Vorteil in vielen Le­bens­mitteln ent­halten. Raf­fi­nierter Zucker und dessen Spiel­arten sind daraus aus­ge­nommen. Sie werden in vielen Speisen als Ge­schmacks­träger oder Kon­ser­vie­rungs­mittel ein­ge­setzt. Diese Zucker sollten wir mög­lichst meiden. Wie sich das richten lässt? Indem man un­ver­ar­beitete Lebens- mittel wie Früchte, Gemüse fa­vo­ri­siert oder Stär­ke­pro­dukte in Voll­korn­qua­lität wählt.

Und was hilft bei ver­ar­bei­teten Pro­dukten weiter?
Ein Blick auf die Zu­ta­ten­liste. Darin muss an­ge­geben werden, was in den Le­bens­mitteln ent­halten ist (Zu­taten werden in der Rei­hen­folge ihres An­teils auf­ge­listet). Es ist jedoch nicht immer einfach, die vielen ver­schie­denen Zucker­arten zu er­kennen. Oftmals ver­stecken sie sich hinter ab­strakten Namen. Hin­weise auf Zucker­quellen geben fol­gende Be­griffe: Namen, die auf ‑ose/-dex­trin/-süsse enden. Oft werden sie als Saft, Sirup, Ka­ramel, Honig oder Me­lasse be­zeichnet. Zucker­aus­tausch­stoffe und künst­liche Süss­stoffe enden oft mit den Be­zeich­nungen ‑it/-ol/-am oder werden al­ter­nativ mit E‑Nummern gekennzeichnet.

Was, wenn man unter Dia­betes leidet?
Auch hier heisst das Gebot der Stunde: mög­lichst wenig ge­süsste Le­bens­mittel kon­su­mieren, also Mass halten. Kleinere Mengen von Zucker und al­ter­na­tiven Süs­sungs­mitteln haben – je nach Dia­betes-Typ und all­fäl­ligen Me­di­ka­tionen – aber durchaus Platz in einer aus­ge­wo­genen Er­nährung. Falls Koh­len­hy­drate in der Süsse ent­halten sind, gilt es diese in der Planung ein­zu­be­rechnen. Künst­liche Süss­stoffe – be­sonders wenn diese in Süss­ge­tränken ent­halten sind – bieten Dia­be­ti­ke­rinnen und Dia­be­tikern aber einen klaren Vorteil: Sie be­ein­flussen den Blut­zucker­spiegel nicht. Dennoch sollten sie ihre per­sön­liche Aus­gangslage mit Ex­per­tinnen und Ex­perten be­sprechen und sich be­raten lassen.

Dieses In­terview ist in der «Zeitlupe» er­schienen. Es wurde von Roland Grüter geführt.

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