Ist von Mangelernährung in der Schweiz die Rede, denken viele an Personen mit einer schweren Erkrankung. Oder an hochbetagte Menschen, drogenabhängige Personen oder an die zunehmende Zahl Jugendlicher, die unter einer schweren Essstörung leiden.
Mangelernährte Personen, die normal- oder gar übergewichtig sind, kommen den wenigsten in den Sinn. Solche Personen sind aber immer häufiger von Fehl- und Mangelernährung betroffen.
Wie kommt das? Oft fehlt das Wissen, was eine gesunde Ernährung ausmacht. Trotz oder gerade wegen der zunehmenden Informationsflut ist es für Laien schwierig zu beurteilen, welche Ernährungstrends und ‑empfehlungen sinnvoll, falsch oder gar gefährlich sind.
Ein häufiges Beispiel: Nach etwa 3 Jahren kann es zu einer Mangelernährung kommen, nach der Umstellung von normaler oder vegetarischer Ernährung auf eine rein vegane Ernährung. Wer sich gut über den Nährstoffbedarf informiert und die veganen Produkte entsprechend sorgfältig auswählt, ist meist auf der sicheren Seite. Aber einfach nur tierische Produkte wie Milch, Quark, Eier, Fleisch und Fisch weglassen und durch beliebig «zusammengebastelte» Industrie-Alternativen zu ersetzen, ist eine schlechte Strategie. Handelt es sich dabei um schwangere oder stillende Frauen, um Kinder oder Jugendliche im Wachstum, besteht rasch ein grosses Risiko für Mangelernährung.
Stress und Einsamkeit
Zwei weitere wichtige Faktoren für Mangelernährung sind Stress und Einsamkeit. Wer immer wieder viel Stress hat, nimmt sich oft wenig Zeit für eine abwechslungsreiche Menugestaltung. Exakt in solchen Phasen wären aber gewisse regulierende Ernährungsmassnahmen sehr wichtig, wie: vermeiden von rasch verfügbaren Kohlenhydraten, ausreichend Trinken, konstante Proteinversorgung, entzündungshemmende Ernährung.
Immer häufiger kommen Personen zu uns in die Beratung, die einerseits grossem Stress (beruflich und/oder privat) ausgesetzt und gleichzeitig beim Essen einsam sind.
Auch wer Familie hat, isst immer öfter alleine: Beruflich Verpflichtungen (auch lange Pendelstrecken), Freizeitaktivitäten oder unterschiedliche Essvorlieben sind Gründe dafür, dass immer häufiger Personen, die an sich in familiärem Kontext leben, alleine essen.
Fertigprodukte
Wer einsam is(s)t, ernährt sich häufiger einseitig und greift vermehrt zu eher ungesunden Fertiggerichten. Das muss nicht sein. Es gibt für alle Ernährungsformen Fertig- oder Halbfertiggerichte, die empfehlenswert sind. Das gilt auch für die Ernährung bei Erkrankungen wie Diabetes, Unverträglichkeiten, erhöhten Blutfettwerten etc. Wir beschäftigen uns explizit mit diesem Thema und «scouten» mit grosser Freude neue oder traditionelle Produkte, die wir in den Beratungen zeigen. Ebenso weisen wir selbstverständlich auf minderwertige Industrieprodukte hin, die für Fehl- und Mangelernährung mitverantwortlich sind.
Essen vor dem Fernseher?
Ja! Einsamkeit wird von unseren Klientinnen als besonders schmerzhaft beschrieben, wenn sie allein am Esstisch sitzen. Die alternative Wahl ist dann oft stehend in der Küche oder am Kühlschrank zu essen. In dieser Konstellation ist der Griff nach eher ungesunden, snackartigen Nahrungsmitteln die Regeln.
Die Motivation, sich eine schöne, gesunde Mahlzeit zuzubereiten und diese zu einer interessanten Dokumentation, der Tagesschau oder einem schönen Film zu geniessen, wäre oftmals eine ideale Lösung. Nur erlauben es sich die Klienten oft selbst nicht. Vor dem Fernseher zu essen scheint eine Art ungeschriebenes Verbot zu sein, dessen Missachtung mit einem unverhältnismässig schlechten Gewissen behaftet ist. Auch bei jüngeren Personen. Höchste Zeit also, sich von diesem unsinnigen Gebot loszusagen.
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